
Review: Rain
Sony Computer Entertainment
SCE Japan Studio
1. Oktober 2013
4-7 Stunden
Was zeichnet ein packendes Spiel aus? Sind es gigantische Explosionen die den Bildschirm füllen oder theatralische und zugleich schockierende Wendungen, die den Spieler von den Sitzen reißen? Rain ist ein Spiel das keines dieser Elemente besitzt und trotzdem zu den fesselndsten Spielen des Jahres gehört. Warum das in unseren Augen so ist, erfahrt ihr in unserem Testbericht.
Rain folgt der Geschichte eines kranken Jungen, der in einer regnerischen Nacht der Silhouette eines Mädchens in die Nacht folgt. Das Mädchen, welches von einem gigantischen Monster verfolgt wird, führt den Jungen dabei unbewusst durch ein mystisches Portal in eine fremde Stadt. Hier wird nicht nur das Mädchen und die verfolgende Kreatur unsichtbar sondern auch unser Protagonist. Geführt von dem Drang zu helfen, stolpert der Junge fortan durch eine ihm unbekannte Stadt. Ein Ort der von feindseligen Kreaturen bevölkert wird. Sein zunächst einziger Verbündeter ist dabei der Regen, der Feinde sichtbar macht und auf der Reise zahlreiche Hilfestellungen gibt.
Anders als es vielleicht frühe Trailer erwarten ließen, ist Rain ein waschechtes Adventure. So wird im Spiel geklettert, Kisten hin- und hergeschoben, Schlüssel von A nach B gebracht oder kleine Rätsel gelöst. Hinzu kommt ein zentrales Stealth-Element, bei dem der namensgebende „Regen“ eine wichtige Rolle spielt. Denn wie bereits erwähnt, dient der Regen nicht nur der akustischen Untermalung. Stattdessen lernen Gamer den Regen zum eigenen Vorteil zu nutzen, um Gegner in Kombination mit der Unsichtbarkeit aus dem Weg zu gehen. Doch nicht immer lassen sich die feindseligen Kreaturen einfach umlaufen. So müssen beherzte Sprünge in Pfützen oder schmutzige Gewässer als Ablenkung genutzt werden. Dabei gelingt es Rain in jedem der acht Kapitel neue Spiel-Elemente einzuführen. Das sorgt im knapp drei Stunden langen Spiel dafür, dass keine Langeweile oder aufdringliche Wiederholungen auftreten. Überhaupt fühlt sich das Spiel mit Regen und Wasser unglaublich neu und frisch an.
Letztendlich ist jedoch nicht das Gameplay der Grund, warum sich Spieler Rain kaufen sollten. Das Gameplay erfüllt zwar seinen Zweck, doch am Ende ist die Geschichte der eigentliche Star. Das beginnt schon beim Intro, wo das Szenario in Form von Aquarellen erzählt wird. Im eigentlichen Spiel wird dann ein allwissender Erzähler genutzt, der Gefühle und Situationen in Form von Overhead-Texten zusammenfasst. Alleine hier zeigt sich sehr deutlich, mit welchen begrenzten Mitteln eine packende Geschichte erzählt werden kann. So sprechen unsere Protagonisten kein Wort und trotzdem entsteht eine direkte Verbundenheit mit den Charakteren und der Welt. Dabei beginnt man den Drang des Jungen zu verstehen und warum dieser das Mädchen unterstützen möchte. Spätestens wenn dann der strömende Regen von einer Klavier-Komposition unterbrochen wird, fühlt man sich geborgen.
Rain hat ohne Frage einen stark melancholischen Unterton, der vielen Spielern die Tränen in die Augen steigen lässt. So durchstreifen wir eine düstere französische Stadt und fühlen uns an mehr als einer Stelle einsam und allein. Gerade in Momenten wo uns keine Monster jagen, entsteht dadurch eine emotionale schwere beim Spieler, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Doch Spieler müssen keinen durchgängigen Schlag mit dem emotionalen Hammer erwarten. Stattdessen sind es die Lichtblicke in Form von Begegnungen mit dem Mädchen, die Spieler auf lange Sicht motivieren nicht aufzugeben.
Trotz der positiven Worte, muss man Rain auch einige Dinge negativ ankreiden. So hat man nach den Credits das Gefühl, dass mehr Potenzial vorhanden gewesen wäre. So durchstreifen wir teilweise riesige Areale der Stadt, in denen es jedoch nichts zu tun gibt. Zwar wird an diesen Orten die Isolation gut dargestellt, doch wirkt es wie ungenutzter Platz. Das man nach dem ersten Durchspielen zusätzliche Gegenstände in der Welt finden kann, hilft leider nur wenig. Denn Rain ist eine lineare Erfahrung, die bei einem weiteren Durchspielen nicht viel Mehrwert bietet. Zudem sind die Anfangs erwähnten Rätsel selten eine Herausforderung. Stattdessen wird Spielern meist direkt der Lösungsweg angezeigt. Zwar geht es in Rain darum die Geschichte zu erleben, doch ein wenig mehr Anspruch hätte die Erfahrung noch besser gemacht.
Fazit: Letztendlich ist und bleibt Rain ein erstaunliches Projekt, auf das man sich einlassen sollte. Nach dem ersten Durchspielen musste ich mich selbst davon überzeugen, dass Rain kein Team Ico Projekt war. In vielen Punkten fühlt sich Rain nämlich genau so an. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass Rain eine Kopie der beliebten Ico-Spiele ist.
Trotz der erwähnten Schwächen und dem ständigen „Da wäre mehr drin“-Gefühl, habe ich die Reise in die düstere Stadt mehr als genossen. Rain bietet viele neue Gameplay-Elemente, einen fantastischen Soundtrack und ein durchdachtes Konzept. Zudem verlangt der Titel Spielern eine Vielzahl an Emotionen ab. So habe ich gelacht, war unglaublich gerührt, fühlte mich verletzlich und gleichzeitig auch stark. Das alles in etwas unter drei Spielstunden und für weniger als 13 Euro. Wer Rain auf sich wirken lässt, dürfte vermutlich ähnliche Dinge erleben. Zwar bietet das Spiel so gut wie keinen Mehrwert nach dem erstmaligen Durchspielen, doch am Ende bleibt ein wunderschönes einmaliges Erlebnis stehen.
Rain mag ein kleines Spiel sein, dass jedoch nicht wie der unsichtbare Protagonist übersehen werden sollte.